wolken westwärts

ermittlungen zweiter ordnung

Eine Frau wurde am Hafen von Triest erschossen. Polizeiliche Untersuchungen blieben ergebnislos, die Vorgesetzte der Toten engagiert daraufhin einen privaten Ermittler mit dem Auftrag, anhand ihrer Briefe und Tagebucheinträge Hintergründe der Ermordung zu recherchieren. Die Auftraggeberin wechselt mehrfach die Identität des Grazer Unternehmens, in dem die Tote und ihre Vorgesetzte tätig gewesen sind. Wer da letztlich was oder wen repräsentiert, wird undurchsichtig.

Wir folgen inneren Monologen des Ermittlers und seinen Berichten an die Auftraggeberin, erfahren dabei von Unternehmen, die Menschen Empfindungen entnehmen und digital verkaufen wollen. Wir lesen von Angestellten der Unternehmen, die ihre Intimität in Poesiezirkeln zu bewahren suchen. Der Ermittler als zweiter Beobachter folgt den verfügbaren Dokumenten ins Dämmerlicht zwischen Ver‐ und Vorstellungen, in die Gespaltenheit der gesichteten Lebenswelt.

Dass die Tote am Wirkungsort Italo Svevos gefunden wird, der mit sezierendem Blick aufs Subjektive ein Tor der literarischen Moderne aufgestoßen hat, schwingt im Hintergrund leise mit. Dem Ermittler wird nie gelingen, der Auftraggeberin selbst zu begegnen – er verwirrt sich zwischen den Fäden des Falls und zieht uns mit ihm lesend ins schräge Erinnern. Dass die Auftraggeberin mit der Toten identisch sein könnte und ihr Sich‐​Entfernen von einer KI in Szene setzen lässt, dass eine sich ausweitende Abwesenheit des Realen so ein mögliches Wahrnehmen von Gegebenem durchstreicht, führt die Ermittlungen in die zunehmende Leere des eigenen Selbst.

ralf b. korte

ralf b. korte, geboren 1963 in ulm, ist autor und co‐​​herausgeber der literaturzeitschrift perspektive.

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