»Uhu und Amadeus« von Ulrich Holbein

Was hat ein Zoobesuch mit einem Konzertabend gemeinsam? Ein Uhu, Mozart, Kölnisch Wasser, Schrumm‐​Tata und Kikeriki. Eine Aufzeichnung von Ulrich Holbein.

Von Autor Ulrich Holbein erstellte Collage

Laut Wikipedia ist Ulrich Holbein »Verfasser von originellen und kauzigen Essays und Hörtexten, in denen er dem Leser und Hörer die Früchte seiner Belesenheit präsentiert und neu arrangiert, bis hin zu dem gänzlich aus Literaturzitaten montierten Roman Isis entschleiert.« Auch Leser des Klingenberg‐​Adventskalenders kommen hiemit in den exklusiven Genuß eines holbeinschen Wort‐​Arrangements. Was hat ein Zoobesuch mit einem Konzertabend gemeinsam? Erfahren Sie es in dieser Aufzeichnung.

Uhu und Amadeus

Heut abend Mozart, vorher schnell noch in den Kleintierzoo.
Zentraler Neuerwerb: ein ausgestopfter Uhu, nein, ein echter.
Ich seh – den Uhu an, halb unverwandt, halb solidarisch;
und umgekehrt: der Uhu guckt – mich an.
Drumrum: drei Ziegen, durchgesessne Ponys.
Ich geh durch alles durch, ganz wunderbar naturverbunden,
nicht ohne Seitenblick auf ein paar Spatzen.
Dem Lama, falls es spucken würde, weich ich aus.
Ein Kronenkranich trägt Federschmuckgesteck – wie herrlich!
Gratuliere! Imposant!
Die Viecher laufen hektisch hin und her und duften sehr nach Raubtierhaus.
Ein Hängebauch aus Vietnam steht staubgrau im Beton.
Flamingos, arg gestutzt, verspüren wenig Mumm,
sich aufzuschwingen Richtung Beutelsau und Homo.
Der Puter schürt gewaltig meine Mozartsehnsucht
und plötzlich kräht hier irgendwo ein Hahn!
Ach ja, Gazellen heitern mich kaum auf.
Umsonst herbeigehinkt.
Nichts gegen Frau Natur, doch Misses Kunst riecht schöner.

Dann steh ich trostlos an der Abendkasse.
Der Hauptprogrammpunkt: Opus 131! Endlich cis‐​moll!
Drumrum: a bisserl Haydn und auch Dvorak.
Ich zieh mir alles rein, durchaus recht kunstbeflissen.
Kein Seitenblick umgeht mit steifem Hals die Säule.
Ein Bonbon, falls es Abo‐​Omas stören würde, laß ich ungelutscht.
Der Fettsack neben mir stinkt meterweit nach Kölnisch Wasser.
Welch hochgeschäumte Dauerwelle – gratuliere! Hochkultur!
Die Finger wundgefiedelt, Ohren vollgeschrubbelt –
bekommt man noch die Kurve? Zur Hälfte hyper‐​optimal,
zur andern Hälfte gar nicht mal so übel.
Das Schrumm‐​Ta‐​Ta, konzertreif wie noch nie,
geigt jede Transzendenz vom Tisch.
Und Presto‐​Streß und Wehmut‐​Stau
zerbügeln mein geträumtes „Kikeriki!“
Doch Lama‐​Nachklang mitten im Adagio, samt Uhuschmerz,
steht plötzlich sehr in cis‐​moll.
Erst Kollektiv‐​Geräusper, dann Applaus!
Auch hier umsonst herbeigehinkt.
Natur und Kunst, nun ja, ach so, dann tschüs.

Ulrich Holbein

Es gibt bereits zu viele gute Portraits und Texte über Werk und Person Ulrich Holbeins, als daß diese Infobox sich auf den letzten Plätzen dieser Karawane anschließen müßte. Statt dessen sei empfohlen, einen ein Blick nach perlentaucher.de zu werfen, wo u.a. Holbeins aberwitziges Narratorium, eine tausendseitige Sammlung von Biographien Schräger Vögel der Weltgeschichte, vorgestellt wird. Sein Roman Knallmasse wurde von den sympathischen Kollegen vom homunculus Verlag neuaufgelegt und jüngst erschien das »Gnomologion« Ach, wär ich nur ein Mensch wie du und ich! bei Hochroth. In diesem Sinne, so wie oben, achso, und prost!, na ja, dann tschüs!

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